Deutschland wird am Hindukusch verteidigt? – Das klingt ein bisschen wie zu Kaisers Zeiten. Ist es wohl auch.
Eines ist klar, der Krieg in Afghanistan ist eine politische, keine militärische Entscheidung. Es war die Großmacht USA, die hier einmarschiert ist, aus welchen Gründen auch immer, und der ihre Verbündeten Heeresgefolgschaft geleistet haben.
In seiner edlen Art hat Richard von Weizsäcker es anders formuliert, aber es ist dasselbe:
„Souveränität bedeutet in unserer Zeit Mitwirkung in der Gesamtheit der Staaten.“*
Es ist auch keine neue Art von Krieg, der dort geführt wird, das Gerede von dem Neuen – den asymetrischen Kriegen ist Unsinn.
Schon die alten Römer kannten es. Schon wenn die Römer ein Land besetzten, ihre Verbündeten Truppen stellten, war das nicht anders.
Schon damals gab es Aufständische, Partisanen, Rebellen, Terroristen. – Entführungen, Attentate, Hinterhalte. alles keine Erfindungen der Neuzeit.
Was wir in Afghanistan leisten ist Heeresgefolgschaft, wie vor 2000 Jahren.
Das ist nicht negativ zu bewerten, heute nennt man es Bündnissolidarität in der Nato. In der Nato entscheiden wir nicht allein über unser Verhalten. Vorher waren wir allein und unsicherer, aber formal mehr der Herr im eigenen Haus.
„Das änderte sich, als die Bundesrepublik souverän wurde und die Bundeswehr aufbaute. Ironischerweise nämlich verlor das Land damit ein Element von Souveränität: das Recht, sich friedlich zu verhalten – das man ius ad pacem nennen könnte. Mit dem Nato-Vertrag gelobte die Bundesrepublik – altmodisch gesprochen – „Heeresgefolgschaft“ und verzichtete auf die Verfügungsgewalt über Krieg und Frieden. Sie stellte sich – um wieder mit Hobbes zu sprechen – in ein Schutz-Gehorsam-Verhältnis, das ihre Souveränität begrenzte.“ *
Lassen wir den verbalen und intellektuellen Überbau weg, dann bleibt ein einfacher Kern. Wir sind in der Nato in einer Schicksalsgemeinschaft und leisten unseren Teil an erforderlicher Solidarität. Deshalb ist die Bundeswehr in Afghanistan. Das entspricht durchaus unseren Interessen, aber es sind keine ursprünglich eigenen Interessen, sondern abgeleitete.
Jetzt kommt der Streit um den von der Bundeswehr angeforderten Lufteinsatz. Ich denke dieser Streit ist nur vor dem Hintergrund des Gesagten zu verstehen.
Jahrelang hat der Heerführer das getan, was der allseits kritisierte Bundeswehr-Offizier jetzt getan hat. Er hat militärischen Erwägungen den Vorrang gegeben. Wahrscheinlich war es falsch. Nicht weil es gegen neue Pläne verstößt, sondern weil es gegen das verstößt, was die Bundeswehr, was wir, immer verlangt haben. Keine zivilen Opfer, keine Angriffe, nur Verteidigung. Einsatz für die Bevölkerung. Das hat uns der Heerführer jahrelang als Fehler vorgehalten, jetzt schwenkte er darauf ein, erklärt es zu seiner Erfindung und einer neuen Strategie.
Auch und gerade wenn es falsch war den Lufteinsatz anzufordern, den Feuerbefehl zu geben, dann verlange ich Solidarität mit den Verantwortlichen, dann verlange ich vom Heerführer und seiner englischen, französischen und sonstigen Gefolgschaft ein Spiegelbild der Solidarität, die der Grund für die Beteiligung der Bundeswehr in Afghanistan ist. Wenn es diese Solidarität nicht gibt, warum sind wir dann da?
Nicht Deutschland wird am Hindukusch verteidigt, sondern die Solidarität im Bündnis. Wer die Solidarität aber schon in einer kleinen Krise verwehrt, der darf sie auch in der großen nicht einfordern. Das Handeln der USA zerstört Vertrauen, Vertrauen darauf, dass man ein Partner ist, dass man mehr ist als ein Vasall.
Gegen meine Überzeugung bin ich verführt zu sagen: Bundeswehr raus aus Afghanistan, sollen die Amerikaner ihren Mist doch selbst regeln.
Mit meiner Überzeugung finde ich ein neues Kriterium: Was wollen die Menschen dort wo die Bundeswehr eingesetzt ist? Sie sind das Volk, sie müssen entscheiden welchen Weg sie gehen wollen. Welches Leben ihre Kinder führen sollen.