Jeder nimmt die Welt anders wahr, das ist normal, das Problem entsteht erst dadurch, dass man behauptet es gäbe keine Realität jenseits der persönlichen Wahrnehmung. Das bedeutet die Abschaffung des Konsens darüber, das es eine Wirklichkeit gibt, die nur jeder anders wahrnimmt und über deren Wahrnehmung man sich austauschen könnte.
Dabei wird die Wahrnehmung durch gesellschaftliche Einordnungen und körperliche Eigenschaften beeinflusst und verfeinert. Desto mehr Eigenschaften desto mehr Wahrnehmung, desto mehr Wahrheit.
Letztlich führt das zu dem Ergebnis, dass die Realität, die Wahrheit ein Konstrukt unserer Wahrnehmung ist und nicht umgekehrt, dass also die Wirklichkeit so zu einem individuellen Konstrukt wird, dem von anderen nicht mehr widersprochen werden darf.
Der entscheidende gedankliche Schritt ist ein verbaler, der Schritt von „Du erlebst die Wirklichkeit anders als ich“ zu „Du erlebst eine andere Wirklichkeit als ich“ .
Wenn man das verinnerlicht hat, dann gibt es plötzlich individuelle Wirklichkeiten, nicht mehr individuelle Wahrnehmungen.
Damit geht der notwendige Konsenz über das Bestehen einer „tatsächlichen“ über das persönliche Erleben hinausgehenden Realität verloren und jeder sinnvollen Auseinandersetzung ist der Boden entzogen. Jede sachliche Diskussion wird zu einer persönlichen, jeder Widerspruch zu einem Angriff auf die Person.
Wenn es aber dennoch eine Realität geben sollte, dann wird man bald in Widerspruch zu dieser geraten. Letztlich fürchte ich, sie wird stärker sein.
Wir als Staat Deutschland versuchen gerade herauszufinden wann dieser Kipppunkt erreicht ist, an dem die Realität zuschlägt.
„Die größte Gefahr in der Moderne geht nicht von der Anziehungskraft nationalistischer und rassistischer Ideologien aus, sondern von dem Verlust an Wirklichkeit. Wenn der Widerstand durch die Realität fehlt, dann wird prinzipiell alles möglich.“
Hannah Arendt
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